Nutzinsekten: Multitalente mit vielseitigem Potential

Weltweit ernähren sich bereits etwa 2 Milliarden Menschen regelmäßig von Käfern, Heuschrecken oder Raupen – und das aus gutem Grund: Sie enthalten viel Eiweiß sowie wertvolle Mineralien und Vitamine.

Derzeit sind bis zu 2.000 essbare Insektenarten bekannt. Vor allem in Asien, Afrika und Lateinamerika gelten sie als traditionelle Lebensmittel. Auch in deutschen Küchen waren essbare Insekten, wie etwa Maikäfer, noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts zu finden.

Wir Menschen aus den westlichen Kulturkreisen tun uns noch schwer damit, Insekten als Lebensmittel zu verstehen – viele verspüren Abneigung oder Ekel. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass wir in Europa nicht dazu übergehen sollen, Insekten als Ganzes zu verzehren.

In Europa sind Insekten wie gelbe Mehlwürmer, Europäische Wanderheuschrecken oder Hausgrillen als Zutaten von „neuartigen Lebensmitteln“ zugelassen: Verschiedene Unternehmen bieten zum Beispiel Nudeln, Hamburger-Patties, Cracker oder Protein-Riegel an, die Insekten-Mehl oder Insekten-Öl als Zutaten enthalten. Für den exotischen Gaumen sind aber auch in Deutschland ganze Insekten zum Beispiel als so genannte Snack-Insekten erhältlich. 

Diese Tiergruppen sind von Natur aus dazu in der Lage, Insekten zu verdauen und ihre Inhaltsstoffe, das enthaltene Eiweiß und Fett, für ihren Stoffwechsel zu nutzen.

Auch für die Landwirtschaft gewinnen Insekten als alternative Futterquelle für Nutztiere an Bedeutung. Seit 2017 sind Insekten zur Fütterung in europäischen Aquakulturen zugelassen. Im August 2021 erteilte die Europäische Kommission zudem die Zulassung für den Einsatz von Insektenproteinen in der Fütterung von Schweinen und Geflügel.

Bislang gelten Soja und Fischmehl als Haupteiweißquellen in der Fischzucht und der Schweine- und Geflügelhaltung. Für den Soja-Anbau werden große Naturflächen zerstört, und um Fischmehl zu gewinnen, wird sehr viel Fisch gefangen. Das trägt zur Abnahme der natürlichen Fischbestände bei. Futtermittel auf Basis von Insekten, im besten Fall aus regionaler Zucht, bieten hier eine nachhaltige Alternative.

Auch für unsere Haustiere – für Hunde und Katzen – sind Insekten als alternative Eiweißquelle sehr gut geeignet. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, die Fleischerzeugung für Tierfutter stark zu reduzieren.

Buffalowürmer, die Larven des Getreideschimmelkäfers (Alphitobius diaperinus), enthalten beispielsweise besonders viele solcher essenziellen Aminosäuren.

Fett liefert unserem Körper Energie und unterstützt wichtige Funktionen unseres Stoffwechsels. Einige Fette, wie die sogenannten Omega‑3- und Omega‑6-Fettsäuren, kann der menschliche Organismus nicht selber bilden – wir müssen sie dem Körper über die Nahrung zuführen. Mehlwürmer, die Larven des Mehlkäfers (Tenebrio militor), enthalten unter anderem besonders viele Omega‑6‑Fettsäuren.

Chitin ist ein elementarer Grundstoff für schützende Körperhüllen – auch der Insektenpanzer, das sogenannte Exoskelett, besteht größtenteils daraus. Bei Chitosan handelt es sich um chemisch verändertes Chitin. Als Zutat in Nahrungsmitteln stärkt Chitosan körperliche Abwehrkräfte, unterstützt die Darmflora und wirkt Mikroorganismen wie krankmachenden Bakterien entgegen. 

Der Körper benötigt Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente für das Wachstum der Muskeln, für den Energiehaushalt, für körperliche Abwehrkräfte und vieles mehr. Viele Speiseinsekten enthalten ein ausgewogenes Verhältnis dieser wichtigen Grundelemente. 

Süßwasser ist unser wichtigstes Lebensmittel und in der Nutztierhaltung wird davon viel verbraucht. So werden ca. 15.000 Liter Wasser benötigt, damit beispielsweise eine Kuh 1 Kilogramm Muskelmasse zulegen kann. In der Insektenzucht braucht es einen Bruchteil an Wasser, um eine vergleichbare Biomasse zu erzeugen.

Eiweiß ist der Hauptbaustein des Körpers, um zu wachsen. Deshalb enthält beispielsweise Schweine- oder Hühnerfutter viel Sojaprotein. Insekten können organische Reststoffe in hochwertiges Eiweiß umwandeln – eine wertvolle Eigenschaft, da alleine in Europa jährlich fast 90 Millionen Tonnen ungenutzter Lebensmittel anfallen. Mit einer regionalen Insektenzucht verringert sich zudem der Import von Soja aus Übersee.

Große Teile unserer Kulturflächen nutzen wir ausschließlich, um Futter für Nutztiere zu gewinnen. Es braucht enorme Flächen, um Gülle und Mist von Rindern, Schweinen und Geflügel auszubringen. Viele Insektenarten leben von Natur aus auf engem Raum beieinander. Das sogenannte „Vertical Farming“ ermöglicht die Aufzucht von Insekten auf wenigen Quadratmetern Grundfläche.

Treibhausgase schädigen das Klima. Vor allem Kühe stoßen viel Methangas aus und tragen so dazu bei, dass die Temperaturen rund um den Globus steigen. In Haltungssystemen erzeugen Nutzinsekten wie Mehlwürmer im Verhältnis 10- bis 100-mal weniger Treibhausgase als zum Beispiel Schweine.

In der Landwirtschaft sind unter anderem Hummeln und Bienen als Bestäuber unersetzlich für den Anbau von Obst- und Gemüse. Weltweit sind drei Viertel der wichtigsten landwirtschaftlichen Kulturpflanzen auf die Arbeit von Bestäubern angewiesen. Der Ertrag dieser Pflanzen ermöglicht etwa ein Drittel unserer Nahrungsmittelproduktion.

In Gewächshäusern und Folientunneln setzen Landwirte seit einigen Jahren Zucht-Hummeln ein – insbesondere die Erdhummel (Bombus terrestris) – um Erdbeeren oder Tomaten zu bestäuben. Eine einzige Hummel besucht dabei bis zu 3.800 Blüten am Tag. Wegen ihrer Behaarung tragen Hummeln zudem mehr Pollen zu den Blüten als etwa Honigbienen. Auch im Freiland, etwa in Obstplantagen, werden gezielt Hummel-Völker eingesetzt.

Nutzinsekten alleine, werden die Lücke, die durch den Rückgang der natürlichen Bestäuber entstanden ist, niemals vollständig ausfüllen können. Für unsere Zukunft und für den Erhalt der Artenvielfalt ist es wichtig, verstärkt Maßnahmen für den Insektenschutz in natürlichen Lebensräumen zu identifizieren und umzusetzen. Hierzu gehören ein insektenfreundliches Grünlandmanagement sowie der Erhalt beziehungsweise die Neuschaffung von Strukturelementen und naturnahen Lebensräumen für Insekten in der Agrarlandschaft.  

Laufkäfer, Marienkäfer, Florfliegen, Schwebfliegen, Raubwanzen oder Gallmücken gehören zu den natürlich vorkommenden Nützlingen in Deutschland. Auf ihrem Speiseplan stehen sogenannte „Schädlinge“, also Schadinsekten oder Milben: Sie fressen sie, saugen sie aus oder befallen sie parasitär, und machen sie auf diese Weise unschädlich.

Im biologischen Pflanzenschutz finden Nützlinge insbesondere in Gewächshäusern Einsatz. Auch in Deutschland werden Tomaten, Paprika oder Gurken größtenteils durch Nützlinge vor Schädlingen geschützt. In den geschlossenen Aufzuchtanlagen herrschen für die Nutzinsekten optimale Temperatur- und Feuchtigkeitsbedingungen.

Die natürlichen Gegenspieler lassen sich teilweise auch gezielt im Freiland einsetzen. Beispielsweise verrichten Trichogramma-Schlupfwespen auf großen Anbauflächen bereits erfolgreich ihren Dienst gegen den Maiszünsler (Ostrinia nubilalis). Der Kleinschmetterling gehört zu den wirtschaftlich bedeutendsten Schadinsekten und ist nach Schätzungen der FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen) für die Vernichtung von etwa 4 Prozent der jährlichen Maisernte weltweit verantwortlich.

Mit Hilfe der „biologischen Schädlingsbekämpfer“ lässt sich der Einsatz von Chemikalien gegen Insektenarten, die teilweise großen Schaden an Erntepflanzen anrichten, gezielt verringern. Das bedeutet ein großes Plus für eine nachhaltigere biologisch-ökologische Landwirtschaft, wo chemische Maßnahmen nicht gestattet sind.

Ähnlich wie Kompost oder andere Arten von tierischem Dünger gilt Insect Frass als ein wertvolles Nebenprodukt der Insektenzucht. Seit November 2021 ist Insect Frass von der EU-Kommission offiziell als Düngemittel in der Landwirtschaft anerkannt. Nach EU-Recht darf Insect Frass nach einer thermischen Behandlung bei 70° Celsius über 60 Minuten als solches vermarktet werden (landesspezifische Vorgaben können hiervon abweichen).

Als Dünger eingesetzt, liefert Insect Frass Böden wichtige Makro- und Mikronährstoffe. Die enthaltenen Stickstoff (N)-, Phosphor (P)- und Kalium (K)-Konzentrationen sind mit anderen Düngemitteln tierischen Ursprungs (z. B. Geflügelgülle) vergleichbar. Da die Mineralien wissenschaftlichen Analysen zufolge gut von Pflanzen aufgenommen werden können, gilt Insect Frass als effizienter natürlicher NPK-Dünger.

Aufgrund des hohen Chitin-Anteils werden Insect Frass weitere positive Eigenschaften zugesprochen:

• Steigerung der Toleranz von Pflanzen gegenüber Temperatur- und Feuchtigkeitseinflüssen
• Erhöhung der pflanzlichen Abwehrkräfte gegenüber Krankheitserregern
• Hemmung des Wachstums bestimmter krankmachender Pilze

Mit der Entscheidung der EU-Kommission ist Insect Frass nach entsprechender Aufbereitung auch für die Biolandwirtschaft zugelassen.

Somit eignen sie diese Nutzinsekten sehr gut für nachhaltige Modelle der Kreislaufwirtschaft. Mit ihrer Hilfe lassen sich ungenutzte Lebensmittel und Rückstände aus der Bierherstellung oder aus Bäckereien wieder in wertvolle Nährstoffe umwandeln.

Covid-19-Detektoren

Bienen haben extrem empfindliche Geruchsrezeptoren, die flüchtige Verbindungen im Bereich von Milliardsteln bis hin zu Billionsteln wahrnehmen. Damit können sie flüchtige organische Verbindungen nachweisen, auch wenn sie in der Umwelt nur in extrem geringen Konzentrationen vorliegen.

Zudem lassen sich Bienen innerhalb kürzester Zeit darauf trainieren, zwischen flüchtigen Stoffen zu unterscheiden – woraufhin sie die Stoffe innerhalb weniger Sekunden erkennen. 

Mit dieser höchstinnovativen Nachweismethode, lassen sich neuartige Krankheiten wie z. B. Covid-19 mit der Hilfe von Bienen aufspüren und Betroffene innerhalb weniger Sekunden identifizieren.

Medizinische Madentherapie

Bei der medizinischen Madentherapie werden lebende desinfizierte Fliegenlarven auf Wunden aufgebracht, die nicht heilen, abgestorbenes Gewebe enthalten oder bakteriell infiziert sind. Auf die Wunde aufgebracht, erfüllen die Maden drei wichtige therapeutische Funktionen gleichzeitig: sie entfernen das abgestorbene Gewebe, bekämpfen Infektionen und fördern die Wundheilung. 

Die medizinische Madentherapie ist auch für Patienten in Regionen mit einer ressourcenschwachen Gesundheitsversorgung erschwinglich. Sie kann in Zeiten von Konflikten, Katastrophen und Armut, in denen es wenig medizinisches Personal und unzureichende Wundversorgung gibt, Gliedmaßen und Leben retten.